Lucia Leidenfrost Seite 306

Schreiborte 2 (Rhein)

Ich laufe gerne. Es tut gut, in der frischen Luft zu sein, meinen Körper zu spüren, die Erde unter meinen Füßen… Oft laufe ich am Rhein entlang. Oft hör ich dabei Musik. Meistens komme ich in einen Rhythmus, der mich zum Schreiben bringt. Ich schreibe laufend.

Natürlich kann ich, während ich schreibe, nicht Joggen. Aber die meisten – für mich – Schlüsselsätze einer Geschichte (der Anfang, das Ende, eine Art „Refrain“) entstehen beim leisen Für-mich-dahinlaufen. Um in die Stimmung, in den Rhythmus zu kommen, muss ich lange draußen sein. Manchmal hab ich schon Sätze, die ich schon lange mit mir herumtrage, oder auch nur Phrasen. Beim Joggen kau ich diese Sätze so lange vor, bis sie stimmen, ich memoriere sie so lange, bis ich sie mir merken kann – kann ich sie mir noch nicht merken, sind sie noch nicht gut genug. Ich forme den Satz so lange um, bis er passt, dann formuliere ich den nächsten Satz. Auch hier muss ich wieder so lange feilen, bis er für mich und mein Gedächtnis stimmig ist. So schaffe ich einige Sätze, dann muss ich irgendwann nach Hause. Aber selbst wenn ich eine Zeit nicht an diese Sätze denke: Meistens hab ich sie dann so lange geformt, dass sie mir in Erinnerung sind, wenn ich am Schreibtisch sitze.

Beim Laufen am Rhein suche ich bewusst einige Orte auf, die ich alle noch näher beschreiben werde, hier ein kleiner Einblick:

Die Reißinsel – leider nur ein halbes Jahr offen – ein Vogelparadies gegenüber von Industrie mit wunderschönen, alten Bäumen.

Die Silberpappeln, die ihre Äste bis fast ins Wasser hängen lassen können (im Sommer kann man dort baden gehen, die Strömung ist nicht zu stark).

Den Waldpark mit seinen vielen kleinen Wegen, die Tiere und Menschen nutzen, im Frühling riecht es dort überall nach Bärlauch.